"Grace und Frankie" mit Jane Fonda und Lily Tomlin: Die Ü-70-"Girls" (2024)

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"Grace and Frankie": Rentnerinnen im Rausch

Foto: Netflix/ Melissa Moseley

Jane Fonda und Lily TomlinDie Ü-70-"Girls"

VonHannah Pilarczyk

In der neuen Netflix-Comedy "Grace and Frankie" spielen die Hollywood-Veteraninnen Jane Fonda und Lily Tomlin zwei 70-Jährige, die eigentlich beste Feindinnen sind. Dann wagen ihre Ehemänner ihr Coming-out.

Wenn das Serienfernsehen gerade einen guten Rat fürs Leben parat hat, dann diesen hier: Als verheiratete Frau zwischen 50 und 70 Jahren sollte man sich ernsthaft Sorgen um seine Ehe machen. Der Mann könnte sich nach all den gemeinsamen Jahren zum Coming-out als Schwuler entschließen - oder sogar fortan als Frau leben.

Nach den preisgekrönten Comedys "Transparent" und "Girls" thematisiert nun auch die neue Netflix-Serie "Grace and Frankie" die sexuelle und identitäre Neuorientierung von Männern im fortgeschrittenen Alter. Bei einem Abendessen im edlen Restaurant eröffnen die Rechtsanwälte Sol (Sam Waterston) und Robert (Martin Sheen) ihren Ehefrauen, dass sie sich scheiden lassen wollen - um danach einander zu heiraten. "Weil in Kalifornien endlich die gleichgeschlechtliche Ehe erlaubt ist", erklärt Robert seiner Noch-Ehefrau Frankie. "Ich weiß", antwortet die. "Ich habe die Spendengala dazu organisiert."

Wie schon der Titel klarmacht, geht es bei "Grace and Frankie" weniger um die Ehemänner, sondern um die Ehefrauen. Jahrelang mussten die verkniffene Grace (Jane Fonda) und die Hippie-beseelte Frankie (Lily Tomlin) unfreiwillig viel Zeit miteinander bringen, schließlich waren ihre Ehemänner beste Freunde und Kollegen in einer Kanzlei.

Nun fliehen die beiden Ü-Siebzigerinnen vor den Scherben ihrer Ehen - und zwar zur selben Zeit in das gemeinsame Strandhaus. Am liebsten würden sie sich gegenseitig vom Hof jagen, doch dann trinkt Grace aus Versehen von Frankies psychedelischem Kaktus-Punsch und plötzlich sieht es, zumindest im Peyote-Rausch, so aus, als könnten sich die zwei ganz vielleicht doch miteinander arrangieren. Zumindest zeitweise.

Kleines Malheur auf Ryan Goslings Gesicht

Ein odd couple, das unfreiwillig vom Leben zusammengebracht wird - das klingt mehr nach klassischer Comedy als zeitgenössischem Streaming-Stoff. Tatsächlich wurde "Grace and Frankie" von der "Friends"-Schöpferin Marta Kauffmann entwickelt und produziert. Doch die Witze sind durchaus heutig: Nach Verkündigung der großen Neuigkeiten bestellt sich Graces Ehemann Sol erst einmal neue Möbel. Als Grace sieht, was ihr da ins Haus kommt, ist sie empört: "Wenn hier jemand einen Stuhl mit Ryan Gosling drauf kriegt, dann bin das ja wohl ich!" Wie für Grace üblich, kriegt sie ihren Willen. Als sie zur Schlusspointe auf dem Stuhl mit dem besagten Kissenbezug sitzt, müssen sie und Frankie allerdings so lachen, dass ihr ein kleines, altersbezogenes Malheur passiert. "Jetzt habe ich auf Ryan Goslings Gesicht gepinkelt."

Es ist eine Freude, mit Fonda und Tomlin zwei großartige Schauspielerinnen, und dann noch welche jenseits der 70, gemeinsam auf dem Bildschirm zu sehen. Überhaupt man merkt den beiden an, dass sie sich mit Lust in das Projekt gestürzt haben und die Überzeichnung ihrer Figuren genießen. Trotzdem kommen die Darstellerinnen und ihr Stoff nicht zur Deckung - und das liegt dann doch daran, dass Tomlin und Fonda eine ältere Form von komödiantischer Darstellung bedienen.

Mit den neueren Comedys (allen voran "Girls"), in denen weiße Mittelschichtsmenschen mit gescheiterten Lebensentwürfen und überzogenen Erwartungen zu kämpfen haben, ist auch ein neuer Typus von Schauspielerinnen und Schauspielern entstanden. Richard Brody vom "New Yorker" hat ihren Stil behelfsweise als "aus dem Nichts" definiert, da sie nicht die klassischen Karrierewege beschritten haben. Die neuen Schauspieler kommen aus dem No-Budget-Bereich und entwickeln ihre Stoffe und ihre Figuren nicht nur selbst, sondern schreiben und produzieren sie zum größten Teil selbst. Zu den prominentesten Vertretern gehören neben Greta Gerwig ("Frances Ha") vor allem Lena Dunham und die Duplass-Brüder Jay und Mark, die zurzeit bei HBO die Midlife-Crisis-Serie "Togetherness" am Start haben.

Durch ihre Mitwirkung und ihren Einfluss in den frühesten Phasen der Entwicklung haben diese Darstellerinnen und Darsteller einen ganz anderen Zugriff auf ihre Rollen - und sie schrecken nicht davor zurück, unansehnliche Seiten ihrer Persönlichkeiten (und Körper) auszustellen. Ihre Leistungen sind deshalb oft so eindrücklich und plastisch, dass sie sich genauso oft die Frage gefallen lassen müssen, wie viel Fiktion und wie viel echtes Leben in ihren Figuren steckt.

Bei Fonda und Tomlin ist jedoch in jedem Moment zu spüren, dass sie von anderen konzipierte Rollen spielen. Das ist per se nichts Schlechtes, vor allem wenn die Drehbücher richtig gut sind. Doch in manchen Momenten überschneiden sich die Themen von "Grace and Frankie" und den jüngeren Comedys so sehr, dass sich der Vergleich aufdrängt - und nicht zugunsten der Veteraninnen ausfällt. Eine Zeile aus der aktuellen Staffel von "Girls", bei der es ebenfalls um das Coming-out eines älteren Mannes geht, wiederholt sich sogar fast wörtlich ("How can this be not not about me?") in der Netflix-Produktion. Nur der Vortrag fühlt sich hier ungleich künstlicher an.

So bitter es denn auch ist: Verglichen mit der neuen Comedy-Generation wirken "Grace and Frankie" dann eben doch wie aus einer anderen Zeit.

Die erste Staffel "Grace and Frankie" ist seit Freitag, 8.5., komplett auf Netflix zu sehen

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